Der Bock als Gärtner
Unsere Ziegenböcke sind für die Artenvielfalt in der Kiesgrube entscheiden. Sie schaffen geradezu Kunstwerke aus Gehölzen.
Die zahlreichen Gehölzinseln auf der Fläche werden durch die Ziegen völlig umgestaltet. Durch Schälung und Verbiss sind höhere Triebe von Sträuchern wie Weißdorn, Hundsrose, Feldahorn und Liguster zunächst abgestorben. Die Stockausschläge entwickeln sich jetzt aber unter laufendem Verbiss der Triebe zur niedrigen dichten Gehölzformen ähnlich der mediterranen Macchie. Es sind äußerst kompakte Strauchformationen, die durch das dichte Astwerk und durch Stacheln und Dornen ideale Brutplätze für Vögel aber auch Verstecke für Reptilien und viele weitere Artengruppen darstellen. Zugleich entsteht ein Mosaik unterschiedlich großer und hoher Heckenstrukturen wie es auf den alten Almendweiden im Umfeld der bayerischen Dörfer üblich war. Eine Landschaft, die wesentlich zu dem hohen Artenreichtum Bayerns beigetragen hat und die auf der BN-Projektfläche neu entsteht.. Gerade die nach oben „geschlossenen“ niedrigen Gehölze sind als Vogelbrutplatz besonders wichtig: Rund 85% aller Vögel brüten unterhalb von einem Meter über dem Boden, so dass der Schutz ihrer Nester hier besonders relevant ist. Weil die Gehölze zudem nicht linear, sondern in den unterschiedlichsten „organischen“ Formen wachsen, könnten Prädatoren wie der Fuchs sie nicht einfach ablaufen (wie entlang einer klassischen Hecke) und dabei schnell ihre Beute finden.




20 Jahre Naturschutz durch traditionelle Weidewirtschaft

Naturparadies BUND Naturschutzkiesgrube – seit 20 Jahren pflegen Rinder und Ziegen einen artenreichen Lebensraum
Gut 20 Jahre ist es her, dass die Kreisgruppe des BUND-Naturschutz nach der Beendigung des Kiesabbaus in der Grube bei Heldenstein ein Konzept zur Pflege durch Beweidung erstellte. Das Projekt „Naturschutz durch traditionelle Weidewirtschaft“ hat sich in vielerlei Hinsicht als überaus erfolgreich erwiesen und bayernweite Vorbildfunktion erlangt.
In der Kiesgrube betätigen sich Rinder und Ziegen als Landschaftspfleger. Durch ihren Fraß und Tritt entsteht ein vielfältiger Lebensraum: Gehölze, hohe Stauden und Blumenwiesen wechseln mit kurz gefressenen Gras- und Kiesflächen. Die bunte Pflanzenwelt ist die Lebensgrundlage für zahlreiche Tierarten. Ohne Beweidung würde dichter Wald entstehen, kein geeigneter Platz für die hier vorkommenden seltenen Arten. Nach dem Ende des Kiesabbaus Anfang der 90er Jahre begannen Bäume wie Weiden und Birken die Grube zu erobern. Doch hatten sich während des Kiesgrubenbetriebs zahlreiche schützenswerte Arten wie die Ödlandschrecke oder Zauneidechse angesiedelt, die eine Beschattung durch Gehölze nicht vertragen. Zudem wuchs dichtes Röhricht an den Gewässern. Gefährdete Lurche wie Gelbbauchunke und Laubfrosch benötigen aber besonnte, offene Laichgewässer – ihr Lebensraum war bedroht.
Der BUND Naturschutz konnte die Grube dank einer Förderung durch den Bayerischen Naturschutzfonds erwerben. Sie steht inzwischen unter Naturschutz und ist Teil des FFH-Gebiets „Kammmolch-Habitate in den Landkreisen Mühldorf und Altötting (DE7842371)“.
Um die durch den Kiesabbau entstandenen Lebensräume auf einfache Weise langfristig offen und besonnt zu halten, entschied sich die Kreisgruppe Mühldorf des BUND Naturschutz für eine Beweidung, bei der eine alte Kulturlandschaftsform, die Hutweide, Pate stand: Ziegen und Rinder weiden gemeinsam und schaffen dadurch vielfältige Lebensräume für inzwischen stark gefährdete Tiere und Pflanzen. In Zusammenarbeit mit mehreren engagierten Landwirten lässt die BUND-Kreisgruppe so ein buntes Lebensraummosaik neu entstehen, das nach nun 20 Projektjahren mehr und mehr alten traditionellen Weidelandschaften Bayerns ähnelt.
Zu Beginn des Projektes weideten nur Rinder in der Kiesgrube. Da sie aber die Gehölze auf Dauer nicht ausreichend dezimieren konnten, werden seit 2011 zusätzlich Ziegen eingesetzt, denn Ziegen haben Gehölze zum Fressen gern! Es sind Tauernschecken und Toggenburger, beides widerstandsfähige Gebirgsziegenrassen. Die gut kletternden Ziegen halten Gehölze sogar auf den steilen Südhängen in Schach, die zu den wertvollsten Lebensräumen in der Kiesgrube zählen. Sie erinnern an die verschwundene Wildflusslandschaft am Inn. Hier blüht das Rosmarin-Weidenröschen und die Blauflügelige Ödlandschrecke sowie die Zauneidechse leben hier.
Als Verstecke für die Eidechsen und zahlreiche andere Arten hat der BUND Naturschutz in der Kiesgrube viele Stein- und Holzhaufen angelegt, sowie neue Tümpel für Amphibien und Libellen geschaffen.
Projektpartner sind der Landkreis Mühldorf und die Autobahndirektion Südbayern, die zusätzliche Flächen einbringen. Mitglieder der Jagdgenossenschaft Heldenstein begannen 2017 mit der Wiederansiedlung des Rebhuhns im Projektgebiet. Die Tierhalter Familie Haslberger (Rinder; Lkr. Erding) und Tobias Tietje (Ziegen, Lkr. Mühldorf) stellen Weidetiere zur Verfügung. Die Optimierung von Lebensräumen wird von der Gerhard und Ellen Zeidler-Stiftung unterstützt. Viele ehrenamtliche Helfer und Zaunbetreuer sind seit Jahren in der Kiesgrube aktiv.
In der Beobachtungshütte am Rand der Kiesgrube informieren Schautafeln über das Projekt.
Bund Naturschutz Kiesgrube

Einweihung der Beobachtungshütte
Baumaschinen gibt es in der BN-Kiesgrube an der Kreisstraße MÜ 25 bei Haigerloh schon lange nicht mehr. Nach der Stilllegung ist die Grube zu einem Rückzugsgebiet für die Natur geworden. Ohne zu stören, kann der Besucher nun das Leben in der Kiesgrube verfolgen — von der Beobachtungshütte. Diese wurde am Wochenende offiziell eröffnet. Hier habe die Natur Platz, sich selber zu entwickeln, wie die beiden Vorsitzenden Gerd Ruchlinski und Dr. Andreas Zahn bei der Eröffnung sagten. Auch Umweltminister Dr. Marcel Huber sprach von einer guten Lösung, die Besonderheiten der Natur zugänglich zu machen, gleichzeitig aber der Natur ihre Sicherheit zu lassen. Peter Rottner, Landesgeschäftsführer des Bund Naturschutz, lobte die geleistete Arbeit. „Offenlandgebiete zu fördern, ist nur mit Pflege zu schaffen", sagte er. Die extensive Beweidung sei die beste Möglichkeit. Auch die Autobahndirektion Südbayern ist zu einem kleinen Teil in das Projekt eingebunden — als Ausgleichsfläche für den Bau der A94 bei Ampfing. Neben Eigenmitteln der BUND Kreisgruppe wurde der größte Teil der Bausumme durch den Freistaat Bayern und EU Mittel gefördert.












